DHV weiterhin nicht tariffähig

Es bleibt also dabei, dass die DHV nicht tariffähig ist. Das Bundesarbeitsgericht hat gestern die Entscheidung des LAG Hamburg vom 22.05.2021 bestätigt (Pressemitteilung vom 22.06.2021). Über die Thematik habe ich hier schon mehrfach berichtet (Blogeintrag vom 25.06.2020 und Blogeintrag vom 28.07.2020). Der Grund für die Aberkennung der Tariffähigkeit liegt in der mangelnden Durchsetzungsfähigkeit gegenüber den sozialen Gegenspielern, so das Bundesarbeitsgericht. Die DHV verfüge nur über einem Gesamtorganisationsgrad von etwa einem Prozent. Damit fehle die soziale Mächtigkeit, um flächendeckende Tarifverträge abschließen zu können.

Die Aberkennung der Tariffähigkeit hat enorme Folgen für die arbeitsrechtliche Praxis. Alle Tarifverträge, die von der DHV abgeschlossen wurden, sind nichtig. Das betrifft u.a. den Manteltarifvertrag „Wohlfahrts- und Gesundheitsdienste e.V.“ und seine Folge-Tarifverträge.

Unzählige Verfahren vor den Arbeitsgerichten, die wegen der ungeklärten Frage, ob die DHV tariffähig ist, ausgesetzt waren, können nun fortgesetzt werden. Die weggefallenen Regelungen der DHV-Tarifverträge müssen durch andere Regeln ersetzt werden, z.B. das BGB oder vergleichbare Tarifverträge.

Arbeitnehmer, die in ihrem Arbeitsvertrag die Geltung eines Tarifvertrages der „DHV – Die Berufsgewerkschaft e.V.“ vereinbart haben, sollten daher jetzt prüfen, ob ihnen noch Ansprüche zustehen. Das gilt gerade für Ansprüche, die wegen der kurzen Ausschluss- und Klagefristen in den DHV-Tarifverträgen bislang nicht geltend gemacht wurden. Innerhalb der allgemeinen Verjährungsgrenze (mindestens 3 Jahre) leben so schon verloren geglaubte Ansprüche wieder auf.

Bundesarbeitsgericht verwirft weit verbreitete Ausschlussklausel

Bundesarbeitsgericht verwirft weit verbreitete Ausschlussklausel

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) verwirft eine weit verbreitete Ausschlussklausel. In einer erst jetzt vollständig veröffentlichten Entscheidung hat das BAG eine in unzähligen Arbeitsverträgen verwendete Ausschlussklausel für unwirksam erklärt.

Es geht um diese Klausel:

„Alle Ansprüche, die sich aus dem Arbeitsverhältnis ergeben, sind binnen einer Ausschlussfrist von zwei Monaten nach Fälligkeit schriftlich geltend zu machen und im Fall der Ablehnung durch die Gegenpartei binnen einer Ausschlussfrist von einem Monat einzuklagen.“

Ausschlussklauseln in Arbeitsverträgen weit verbreitet

So oder ähnlich sehen sehr viele Ausschlussklauseln in Arbeitsverträgen aus. Ausschlussklauseln dienen dem Zweck, schnelle Rechtsklarheit herbeizuführen. Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis müssen innerhalb weniger Wochen oder Monate angemeldet werden, sonst verfallen sie endgültig. Das kann im Einzelfall schwerwiegende Auswirkungen haben. Viele Menschen rechnen wegen der deutlich längeren Verjährungsfristeneinfach nicht damit, ihre Ansprüche so kurzfristig anmelden zu müssen.

Neue Rechtslage nach der Entscheidung des BAG

In der aktuellen Entscheidung des BAG geht es aber nicht um die Fristen. Vielmehr geht es um den allumfassenden Wortlaut. Die Klausel betrifft danach pauschal alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis.

Bislang hatte das Bundesarbeitsgericht diese Klauseln so ausgelegt, dass entgegen dem umfassenden Wortlaut bestimmte Ausnahmen zugelassen wurden, für die Ausschlussfrist nicht galt. Das gilt nun nicht mehr. Kurz gesagt: Wenn „alle Ansprüche“ in der Klausel steht, sind auch alle Ansprüche gemeint.

Warum haben die Erfurter Richter die Klausel aber für unwirksam erklärt? Kurze Antwort: Weil sie zu pauschal ist. Sie umfasst eben auch Ansprüche aus vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlungen. Das können Verletzungen von Leben, Gesundheit oder Eigentum sein. Bei Vorsatz darf die Haftung aber im Voraus durch eine Klausel nicht erleichtert werden. Das war aber hier der Fall, denn die gesetzliche Verjährungsfrist ist bei vorsätzlichen unerlaubten Handlungen viel länger.

Aufleben verloren geglaubter Ansprüche

Für die Praxis hat die Entscheidung weitreichende Folgen. Die betreffenden Klauseln in den Arbeitsverträgen entfallen ersatzlos. Jeder einzelne Anspruch aus dem Arbeitsverhältnis kann bis zur Verjährungsgrenze (grundsätzlich 3 Jahre) geltend gemacht werden. So mancher verloren geglaubte Anspruch lebt da wieder auf.

Hier geht es zur Entscheidung des BAG (Urteil vom 26.11.2020, Az.: ( AZR 58/20).

EuGH muss über Verjährung von Urlaubsansprüchen entscheiden

Nun muss der Europäische Gerichtshof (EuGH) über die Verjährung von Urlaubsansprüchen entscheiden.

Ich habe bereits in meinem Post vom 27.09.2020 auf ein für das deutsche Arbeitsrecht bedeutsames Verfahren beim Bundesarbeitsgericht (Az.: 9 AZR 266/20 (A)) hingewiesen (Link). Es geht wieder um die Frage, in welcher Form ein Arbeitgeber nach der neueren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) mitwirken muss, damit der Urlaub vom Arbeitnehmer im laufenden Jahr genommen werden kann. Notfalls muss er den Arbeitnehmer auffordern, den Urlaub rechtzeitig zu nehmen. Macht er das nicht, verfällt der Urlaub nicht. Offensichtlich geht das Bundesarbeitsgericht in dem jetzt verhandelten Fall davon aus, dass der beklagte Arbeitgeber seinen Pflichten nicht nachgekommen ist. Der Urlaub wäre so nicht verfallen. Das führt wegen der zahlreichen betroffenen Jahre zu der weiteren Frage, ob die Urlaubsansprüche (oder ein Teil davon) verjährt sind. Normalerweise tritt die Verjährung von Urlaubsansprüchen nach 3 Jahren ein. Die Verjährungsfrist beginnt immer am Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist, zu laufen.

Leider bin ich am 29.09.2020 in Erfurt bei der Verhandlung des Bundesarbeitsgerichts als Zuschauer nicht dabei gewesen. Ich vermute daher, dass es das BAG für möglich hält, dass die Verjährungsfrist wegen höherrangigem europäischen Recht nicht zu laufen begann. Leider hat das Bundesarbeitsgericht die entscheidenden Fragen nicht beantworten können. Wie der jetzt veröffentlichten Pressemitteilung (Pressemitteilungen des BAG) zu entnehmen ist, legt das Bundesarbeitsgericht den Fall dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) zur Entscheidung vor. Also muss der EuGH über Verjährung von Urlaubsansprüchen und die Vereinbarkeit mit europäischem Recht entscheiden.

Das Revisionsverfahren ruht bis zur Entscheidung des EuGH.

BAG – wann verfallen Urlaubsansprüche?

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) muss wieder einmal die Frage beantworten: „Wann verfallen Urlaubsansprüche?“ Diese Frage ist geradezu ein Dauerbrenner in der jüngeren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts. Die Erfurter Richter des BAG verhandeln am 29.09.2020 wieder einmal über den Verfall von Urlaubsansprüchen (Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichts). Das Thema ist derzeit immer wieder Verhandlungsgegenstand beim BAG, seit der EuGH  einige wegweisende Entscheidungen zu diesem Thema erlassen hatte. Auch habe mich hier schon diesen Fragen beschäftigt (Wann verfällt nicht genommener Jahresurlaub?).

In dem jetzt zu verhandelnden Fall geht es um eine Steuerfachangestellte und Bilanzbuchhalterin, die nach ihrem Ausscheiden aus der Firma im Jahr 2017 eine Urlaubsabgeltung für 101 Urlaubstage (es geht immerhin um fast 20.000,00 EUR) fordert. In der ersten Instanz (vor dem Arbeitsgericht Solingen) erhielt die Klägerin nur rund 550,00 EUR zugesprochen. Das war nur ein kleiner Teil der beanspruchten Gesamtforderung. Also ging die Klägerin in Berufung und hatte Erfolg. Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf sprach ihr weitere 17.376,64 EUR zu. Das wiederum wollte die ehemalige Arbeitgeberin nicht hinnehmen und legte Revision beim Bundesarbeitsgericht ein.

Juristisch ist die Sache interessant, weil es den Verlautbarungen in der Fachpresse nach wieder um Mitwirkungsobliegenheiten des Arbeitgebers geht. Zur Erinnerung: Der Arbeitgeber muss nach der neueren Rechtsprechung dafür Sorge tragen, dass der Urlaub vom Arbeitnehmer im laufenden Jahr genommen werden kann. Notfalls muss er den Arbeitnehmer auffordern, den Urlaub rechtzeitig zu nehmen. Anderenfalls riskiert er, dass der Urlaub nicht verfällt und sich so aufsummiert. In dem jetzt vom Bundesarbeitsgericht zu entscheidenden Fall geht es ja auch um gut 100 Urlaubstage bzw. einen Wert von fast 20.000,00 EUR. Das ist ein gutes Beispiel, dass es sich schon aus wirtschaftlichen Gründen lohnt, die anstehende Entscheidung des BAG zur Beantwortung der Frage: „Wann verfallen Urlaubsansprüche?“ genau unter die Lupe zu nehmen.

DHV nicht tariffähig – wie geht es weiter?

Das Landesarbeitsgericht Hamburg hat am 22.05.2020 entschieden, dass die DHV (eine Gewerkschaft des Christlichen Gewerkschaftsbundes CGB) nicht tariffähig ist (DHV nicht tariffähig – LAG Hamburg vom 22.05.2020). Erwartungsgemäß hat die DHV inzwischen angekündigt, die Entscheidung vor dem Bundesarbeitsgericht anzufechten (Presseportal der DHV). Aber wie geht es nun weiter?

Die DHV ist eine relativ kleine Gewerkschaft, die aber über ihre Beteiligung an Tarifverträgen enorme Bedeutung für hunderttausende Arbeitsverträge hat. Ist die DHV aber nicht tariffähig, kann sie auch keine Tarifverträge abschließen. Alle von ihr bereits ausgehandelten Tarifverträge wären nichtig. Falls die Entscheidung des LAG Hamburg also rechtskräftig wird, müssen die dann nichtigen Bestimmungen aller Tarifverträge der DHV (z. Bsp. Manteltarifvertrag „Wohlfahrts- und Gesundheitsdienste e.V.“ und dessen Folge-Tarifverträge) durch andere Regeln ersetzt werden.

Beispielsweise laufen anstelle der teilweise nur wenige Monate dauernden Fristen, in denen Ansprüche anzumeldem und mit einer Klage vor dem Arbeitsgericht geltend zu machen sind, die gesetzlichen Verjährungsfristen. Diese betragen mindestens drei Jahre und beginnen am Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist.

Arbeitnehmer, die in ihrem Arbeitsvertrag die Geltung eines Tarifvertrages, an dem die „DHV – Die Berufsgewerkschaft e.V.“ vereinbart haben, sollten daher jetzt prüfen, ob ihnen aus dem Jahr 2017 noch Ansprüche zustehen könnten. Das gilt gerade für Ansprüche, die wegen der kurzen Ausschluss- und Klagefristen in den DHV-Tarifverträgen aus Unwissenheit versehentlich nicht geltend gemacht wurden. Die Ansprüche sollten dann noch in diesem Jahr beim Arbeitsgericht geltend gemacht werden, da sie ansonsten endgültig der Verjährung unterfallen.

Die Arbeitsgerichte werden die Verfahren zwar vorerst aussetzen bis zur endgültigen Entscheidung über die Tariffähigkeit der DHV. Verjähren können die Ansprüche dann aber nicht mehr. Sollte das Bundesarbeitsgericht bestätigen, dass die DHV nicht mehr tariffähig ist, sind die betreffenden Ansprüche nicht verfallen.

 

DHV nicht tariffähig – LAG Hamburg vom 22.05.2020

Das Landesarbeitsgericht Hamburg hat der „DHV – Die Berufsgewerkschaft e.V.“ am 22.05.2020 (Az.: 5 TaBV 15/18) die Tariffähigkeit aberkannt. Zur Begründung wird darauf verwiesen, dass ihr die Durchsetzungskraft fehle, weil sie sich in den einzelnen Bereichen auf viel zuwenig Mitglieder stützen könne.

Die DHV ist eine kleine Gewerkschaft unter dem Dach des Christlichen Gewerkschaftsbundes (CGV). In der Vergangenheit gab es schon mehrfach Verfahren über die Aberkennung der Tariffähigkeit, die allerdings alle scheiterten. In dem aktuellen Verfahren bestätigte das Landesarbeitsgericht Hamburg zunächst die Tariffähigkeit der DHV. Das Bundesarbeitsgericht hob diese Entscheidung aber auf und verwies die Sache zurück zum Landesarbeitsgericht Hamburg. In der neuen Entscheidung hat das Landesarbeitsgericht Hamburg der DHV die Tariffähigkeit nun aberkannt.

Sollte diese Entscheidung rechtskräftig werden, hat das die Nichtigkeit mehrer Tarifverträge (z.B. Manteltarifvertrag „Wohlfahrts- und Gesundheitsdienste e.V.“) zur Folge. Zahlreiche Verfahren vor den Arbeitsgerichten sind deswegen bereits ausgesetzt. Sie werden erst wieder aufgenommen werden, wenn wirklich abschließend geklärt wurde, ob die DHV tariffähig war. Erst dann wird auch feststehen, ob die von der DHV ausgehandelten Tarifverträge anzuwenden sind oder nicht.

Link zum Beck-Verlag

Videoüberwachung am Arbeitsplatz

Videoüberwachung am Arbeitsplatz, ein Dauerbrenner. Das Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern hat in einer kürzlich veröffentlichten Entscheidung (Urteil vom 24.05.2019, Az.: 2 Sa 214/18) die Grenzen dessen, was erlaubt ist, noch einmal mitgeteilt.
Danach müssen konkrete Gründe für eine Videoüberwachung des Arbeitsplatzes vorliegen. Das können beispielsweise Sicherheitsinteressen des Arbeitgebers gegenüber Kunden sein. In dem entschiedenen Fall ging es aber um die Überwachung nicht für Kunden zugänglicher Bereiche und um senkrecht über der Kassentheke angebrachte Kameras. In beiden Fällen konnte der Arbeitgeber nicht plausibel darlegen, dass die Kameras dazu dienten, Kunden von Diebstählen abzuhalten oder Diebstähle aufzuklären. Nur wenn es konkrete Anhaltspunkte für Diebstähle o.ä. durch die Mitarbeiter gegeben hätte, wäre der Einsatz der Kameras in Frage gekommen.
Fazit: Arbeitgeber sollten gut abwägen, bevor Kameras angebracht werden. Verstöße können sehr teuer werden. Der betreffende Arbeitnehmer bekam letztendlich 2.000,00 € zugesprochen – bei einer Beschäftigungszeit von weniger als einem Jahr.