Gerichtsverhandlungen per Videoübertragung – Dank der Corona-Krise erwacht eine fast zwanzigjährige Rechtsvorschrift aus dem Dornröschenschlaf zum Leben.
Eigentlich handelt es sich bei § 128a ZPO um eine Vorschrift, mit der ich praktisch seit Beginn meiner Anwaltstätigkeit im Jahr 2000 schon einmal hätte in Berührung kommen können, ja vielleicht sogar müssen. Schließlich wurde § 128a ZPO schon 2001 in Kraft gesetzt. Dennoch habe ich diesen Paragrafen nie in der praktischen Anwendung erlebt. § 128a ZPO lag praktisch im Dornröschenschlaf.
Wie die Überschrift schon verrät, ermöglicht § 128a ZPO dem Zivilgericht, eine Gerichtsverhandlungen per Videoübertragung mit den Prozessbeteiligten zu führen. Dennoch wurde in der Vergangenheit von dieser Vorschrift so gut wie nicht Gebrauch gemacht. Jedenfalls ist mir kein einziger konkreter Fall bekannt geworden, in dem ein Zivilgericht auf diese Art und Weise eine Verhandlung geführt hätte.
Doch am heutigen Tage war es dann tatsächlich soweit. Gegenwärtig führe ich als Verfahrensbevollmächtigter einen Zivilprozess vor dem Landgericht Oldenburg (Oldenburg). Zur der anstehenden mündlichen Verhandlung hätte ich normalerweise zum Landgericht nach Oldenburg in Niedersachsen reisen müssen. Hin- und Rückfahrt hätten bei einer Fahrtsrecke von 2 x ca. 380 km für mich eine Tagesreise bedeutet. Doch dazu kam es nicht. Der zuständige Richter am Landgericht Oldenburg (Oldenburg) hatte vor dem heutigen Sitzungstermin die Möglichkeit angeboten, per Bild- und Tonübertragung zu verhandeln. Sowohl der Kollege auf der Gegenseite als auch ich haben zugestimmt. So kam es, dass ich heute erstmalig an einer Gerichtsverhandlung per Bild- und Tonübertragung teilgenommen habe. Für mich persönlich ist § 128a ZPO sozusagen heute zum Leben erwacht.
Natürlich eignet sich nicht jedes Verfahren dazu, per Videoübertragung zu verhandeln. Ganz sicher schlummert in § 128a ZPO aber noch sehr viel Potential. In Verfahren mit nicht zu umfangreichen Sachverhalten kann gut per Videoübertragung verhandelt werden. Das gilt auch, wenn Prozessbeteiligte sehr weite Anfahrtswege haben. Ich bin überzeugt, dass nicht zuletzt durch die gegenwärtig herrschende Corona-Pandemie so manches Gericht § 128a ZPO neu entdecken und anwenden wird.